Krieg als Medienereignis: Grundlagen und Perspektiven der by Martin Löffelholz (auth.), Martin Löffelholz (eds.)

By Martin Löffelholz (auth.), Martin Löffelholz (eds.)

"Warum schreiben die Journalisten nichts über Liberia, sondern immer nur über Somalia, wo es doch hier kaum besser geht?", fragte der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Liberia kürzlich einen deutschen Journalisten. Seine Antwort: "Weil es keine ähnlich schockierenden Fernsehbilder sterbender Kinder aus Liberia gibt. Wahrscheinlich ist auch die Auf­ merksamkeit für Somalia nur vorübergehend, bis ein neues Modethema die Fernsehschirme erobert. " Dieses Gespräch über die Aufmerksamkeitsregeln der Mediengesell­ schaft wird in ähnlicher shape wohl in allen Kriegen, die medial unsicht­ bar und damit "folgenlos" bleiben, geführt: von Menschen, für die ein Krieg, der keine Mode (im Fernsehen) macht, dennoch sichtbar und fol­ genreich bleibt. Auf der anderen Seite werden kritische Fragen nach der Kriegsordnung der Medien gerade auch durch Kriege provoziert, denen mediale Aufmerksamkeit in besonderer Weise zuteil wurde: vorn ersten "Pressekrieg" (Krim-Krieg 1853-1856) über den ersten "Wohnzimmer­ krieg" (Vietnam 1964-1973) bis zum ersten "Krieg in Echtzeit" (Golf­ Krieg 1991), bei dem der US-Verteidigungsminister den Vollzug seiner Befehle im heimischen Fernsehsender 'live' verfolgen konnte. In diesem Reader über die Grundlagen und Perspektiven der Krisen­ kommunikation geht es vor allem um Kriege, die von Medien beobachtet und damit beobachtbar gemacht werden. Implizit rücken damit freilich auch die unsichtbaren Kriege ins Blickfeld. Denn Thematisierung und Nichtthematisierung von Krisen, Konflikten und Kriegen beruhen glei­ chermaßen auf bestimmten Strukturen und Funktionen des publizistischen platforms, in dem Journalisten, Publikum und Public family members die Karten immer wieder neu und dennoch nach bestimmten Regeln mischen.

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34 2 Grundlagen der Krisenkommunikation Antike • Feldherrn, Schreiber und Boten als Kriegsberichterstatter • Ziele: Desinformation des Gegners, Beeinflussung der öffentlichen Meinung, Erzeugung von Ruhm Frühes 19. Jahr• Entwicklung von 'Massen'medien und 'Massen'krieg hundert • erste "unabhängige" Kriegsberichterstatter • Zielerweiterung: Auflagensteigerung durch Kriegsberichte • Krimkrieg als erster "Pressekrieg" • Präzedenzfall: die Zensur im Krimkrieg (1856) Das "Goldene Zeit- • Institutionalisierung des Berufsstandes der Kriegsalter" von 1860 bis korrespondenten 1914 • Mediale Inszenierung von Krieg als "fernes Abenteuer" • Neue Technologien (Fotografie, Telegrafie) - neuer Aktualitätshorizont Der Erste Welt• Aufbau großer Propagandaapparate zur "geistigen Kriegsführung" krieg • starre und restriktive Handhabung von Zensur und Presselenkung • Wirkungshypothese: "Versagen der Publizistik" bei der Erzeugung von Kriegsbegeisterung Der Zweite Welt• Expansion und Perfektionierung der Informationskrieg lenkung: von der Zensur und Nachrichtensperre zum Informationsmanagement • Erster Kriegseinsatz von Hörfunk und Film Der Vietnamkrieg • Fernsehberichterstattung ermöglicht ersten "Krieg im Wohnzimmer" • Erster (und bisher einziger) Krieg ohne offizielle Zensur • Wirkungshypothese: Medienberichterstattung erzeugt Anti-Kriegs-Stimmung Vom Falkland• Kriege ohne "journalistische Zeugen" Konflikt bis heute • "Echtzeit"-Berichte über den Krieg durch Satellitentechnologie Abb.

Katz 1991: 10) Die Beschleunigung der Nachrichtenproduktion kann Medien in Kriege direkt einbeziehen und sie damit zum Teil des militärischen Apparates werden lassen: Der irakische Präsident etwa hält im Telekommunikationszentrum von Bagdad eine Ansprache. CNN, vor dessen Kameras sie stattfinden wird, kündigt sie an. Und die US-Militärs versuchen daraufhin unverzüglich, ( ... ] ihre Missiles ins Ziel zu schicken. (Lütkehaus 1991: 11) Die Beschleunigung der Kommunikation setzte freilich auch die Journalisten selbst unter Druck: Die "Live"-Berichterstattung über den Krieg schuf Bedingungen, die eine Prüfung der zensierten Infonnationsangebote der Militärs und Politiker nahezu ausschloß5.

Deshalb konnte der Journalist Winfried Scharlau Ende der 80er Jahre - in einem Rückblick auf den Vietnam-Krieg - genau das prognostizieren, was mit dem Golfkrieg realisiert wurde. Vielleicht hätte man in diesem Krieg [dem Vietnamkriegl große Offensiven live via Satellit übertragen, so wie heute große Sportereignisse übertragen werden. (Scharlau 1989: 57) In der Rationalität des Mediensystems macht die Beschleunigung der Kommunikation nicht nur Sinn, sondern erscheint sogar unumgänglich, um im Wettbewerb bestehen zu können.

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